Schüler sollten nicht ständig „zum Jagen“ getragen werden müssen
Stuttgart. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg weiß von Lehrern, die die permanenten Appelle, Schülern aus bildungsferneren Familien mehr Bildungschancen in den Schulen zu bieten, kaum noch hören können. Noch nie seien die vielfältigen Bildungswege so weit offen gewesen wie heute; man müsse diese als Schüler aber auch gehen wollen, ist die Ansicht jener Lehrer, deren Zahl aufgrund negativ gemachter Erfahrungen zunimmt.
Es gibt kaum noch eine Debatte über Schulstrukturen, ohne dass auf die Benachteiligung von Schülern aus bildungsfernen Schichten hingewiesen wird. Das stößt immer mehr Lehrern unangenehm auf, die sich um diese Kinder in besonderem Maße bemühen und spüren müssen, dass alle Bemühungen verpuffen, wenn die Bereitschaft von Schülern, sich beim Lernen selber einzubringen, nicht besonders stark ausgeprägt oder gar nicht vorhanden ist und von der Familie nicht unterstützt wird. „Da nützt es letztendlich auch nicht, nach noch mehr Staat zu verlangen, immer noch mehr Geld der Steuerzahler in die öffentliche Hand zu nehmen“, interpretiert der VBE-Sprecher diese Haltung. Es sei ein Trugschluss zu glauben, dass Bildung für alle immer besser funktioniere, je mehr Mittel in das System gepumpt werden.
Lernen macht nicht nur „Spaß“. Lernen bedeutet: eigene Zeit zu investieren, sich einzubringen und anzustrengen. Es ist erschreckend, wie viele Schüler – sogar an Gymnasien – täglich ohne gemachte Hausaufgaben und ohne notwendige Arbeitsmaterialien zur Schule gehen, wie wenig Interesse sie zeigen, eine danebengegangene Klassenarbeit durch ein zusätzliches Referat auszubügeln. Immer öfter höre man, so der VBE-Sprecher, unter der Lehrerschaft die resignierende Aussage: „Man führt die Pferde ja gerne zur Tränke, aber saufen sollten sie schon alleine!“
Während es früher üblich war, bei schulischen Problemen gründliche Gewissenserforschung zu betreiben, eigene Schwächen oder Nachlässigkeiten aufzuspüren, suchen Schüler heute – und meist auch deren Eltern – Ursachen und Fehler grundsätzlich bei anderen: bei den unfähigen Lehrern, bei unmöglichen Mitschülern, der schlechten Schule oder eben beim “System“.
Es sei sicher nicht verkehrt, ermuntert der VBE-Sprecher alle, die auf eine Lösung “von außen“ warten, wenn “benachteiligte“ Schüler die eigene Anstrengungsbereitschaft aktivieren und im Unterricht vom “Passiv-Modus“ auf kontinuierliche Mitarbeit, auf Interesse, Engagement, Durchhaltevermögen und Fleiß umschalten.
26. Dezember 2011