Nur „Heulsusen“ und „Miesmacher“ in der Lehrerschaft?

Manchmal ist die Wahrheit für Politiker nicht ganz leicht zu ertragen

Stuttgart. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) hat Verständnis für die augenblickliche Nervosität mancher Politiker; wurde doch vor der Wahl für den Bildungsbereich weit mehr versprochen, als man – jetzt in der Regierungsverantwortung – gewillt ist zu bezahlen. Der VBE wird die „Entwicklungsfelder“ weiter aufzeigen müssen.

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig

Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, sollte man den Kopf lieber nicht hängen lassen, heißt es. Dass die Südwest-SPD den Kopf zurzeit ziemlich hoch halten muss, ver­wundert nicht. Verheißen doch die jüngsten Umfrageergebnisse der SPD bei der soge­nannten Sonntagsfrage nichts Gutes. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn die Genossen sichtlich nervös werden und verbal aufrüsten. Schließlich gilt in Politikerkreisen Angriff immer noch als die beste Verteidigung und lenkt obendrein von eigenen Unzulänglich­keiten ab. So bezeichnete SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel die Lehrerverbände im Be­amtenbund als „Heulsusen“, weil der erwartete Applaus zur roten Bildungspolitik bisher nicht nur ausblieb, sondern die gewerkschaftlichen Berufsverbände Missstände in den Schulen und Verschlechterungen weiterhin deutlich aufzeigten und öffentlich reklamier­ten. Der bildungspolitische Sprecher der SPD, Stefan Fulst-Blei, fühlte sich von den „Miesmachern“ im VBE schlichtweg „genervt“.

Es mag für Politiker schon lästig sein, wenn das Volk nach dem erfolgten Machtwechsel Wahlversprechungen und Vereinbarungen im Koalitionsvertrag einfordert; aber eigentlich hätten die Verantwortlichen damit rechnen müssen. Wer als Opposition vollmundig ange­treten ist, in der Bildungspolitik alles viel besser zu machen und nach der Übernahme der Regierungsverantwortung als erstes Stellenstreichungen im Lehrerbereich ankündigt, die weitere Senkung des Klassenteilers ausbremst, Arbeitsgemeinschaften sowie Stütz- und Förderkurse noch stärker zurückfährt und jungen Lehrkräften massiv das Einkommen be­schneidet, muss sich nicht wundern, wenn der Gegenwind spürbar rauer und kälter wird.

Auf der einen Seite nehmen die pädagogischen Aufgaben zu: Gemeinschaftsschulen, In­klusion, individuelles Lernen und mehr Ganztagesgrundschulen; andererseits will die Re­gierung massiv Personal abbauen, da die Schülerzahlen „rechnerisch“ zurückgehen. Wenn aber in einer Klasse nicht mehr 30, sondern „nur noch“ 24 Kinder sitzen, ist das zwar ein Schülerrückgang von 20 Prozent – trotzdem wird bei diesem Beispiel nicht eine einzige Lehrerstunde eingespart. Da schwimmt nicht nur das sprichwörtliche Haar in der bildungs­politischen Suppe, sondern ein ganzer Schopf.

„Der VBE wird deshalb weiterhin `nerven´ müssen, solange an den Schulen bei allen Beteiligten – Lehrern, Eltern und Schülern – Groll, Frust und Überforderung vorherrschen, denn der versprochene `Vorrang für Bildung´ ist an den Schulen noch lange nicht ange­kommen“, so der VBE-Sprecher.