VBE bedauert neue Mehrheitsverhältnisse in der Schulkonferenz

Eltern und Schüler können jetzt den Lehrern die Richtung vorschreiben

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg sieht mit Sorge, dass sich durch die Schulgesetzänderung die Mehrheitsverhältnisse in den Schulkonferenzen zu Lasten der Fachleute verändern. Schüler und Eltern haben, wenn sie sich einig sind, das Zepter in der Hand und erteilen den Lehrern Auf­träge.

Schule wird heute gemeinhin als Dienstleistungsbetrieb verstanden, der sich an seinen „Kunden“, den Schülern und Eltern, auszurichten habe. Durch die Schulgesetzänderung erhalten diese Kunden die Mehrheit im höchsten Beschlussorgan der Schule, in der Schulkonferenz, und können so – auch gegen den ausdrücklichen Willen der Experten, der Lehrer an dieser Schule – die Marschrichtung vorgeben.

Der VBE hält es für überzogen und sachlich falsch, dass Eltern und Schüler den Lehrern ihren Willen aufzwingen dürfen. So könnten Eltern und Schüler mit ihrer Mehrheit in der Schulkonferenz die Lehrer nötigen, etwa die Schule zur Gemeinschafts­schule umzubauen, obwohl die Pädagogen selber gar nicht nach diesem Konzept unter­richten wollen.

Schon bisher bemühte man sich an den Schulen, bei wichtigen Entscheidungen einen Konsens herbeizuführen. Im Streitfall blieb jedoch das Konzept des Handelns bei de­nen, die die entsprechenden Vorgaben auch umsetzen müssen: bei den Lehrkräften. Eltern und Schüler haben durch die Schulgesetzänderung als „Kunden“ eine Vormachtstellung bekommen, die im Dienstleistungsgewerbe oder in der Produktion undenkbar wäre. „Dort bemüht man sich um die Zufriedenheit der Kunden, lässt sich aber die Handlungs- und Richtlinienkompetenz nicht aus der Hand nehmen“, so der VBE-Sprecher. Die Gesetzesänderung komme natürlich den Wünschen der Elternschaft entgegen, ob das für die Schule ein Segen werde oder eher zum Schaden gereiche, müsse die Zukunft zeigen.

Appell des VBE zum Schulstart nach den Sommerferien:

Schülern etwas zutrauen, sie aber auch verlässlich begleiten

Stuttgart. „Es ist für Eltern nicht damit getan, das Kind nach den Sommerferien in der Obhut der Schule zu wissen und darauf zu vertrauen, dass die Lehrer schon alles irgendwie richten werden“, sagt Gerhard Brand, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), zum Schulstart in Baden-Württemberg. „Das dauerhafte Interesse der Eltern am Kind, an dessen Lernfortschritten und die Würdigung ordentlich gemachter Aufgaben geben nicht nur Schulanfängern das Gefühl für die Sinnhaftigkeit und Wertigkeit ihrer Arbeit.“

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Der VBE rät Eltern – und nicht nur denen von Erstklässlern – intensiven Kontakt mit der Schule zu pflegen, sich einzumischen und einzubringen in die schulischen Gremi­en wie Klassenpflegschaft, Elternbeirat, Schulkonferenz oder Förderverein. Die aktive Teilnahme von Eltern am Schulleben ist unverzichtbar, sei es an Projekten, bei Lern­gängen oder – sofern durch die schlechter gewordene Versorgung mit Lehrerstunden überhaupt noch angeboten – in pädagogisch wertvollen Arbeitsgemeinschaften. Dies wird in den Bildungsplänen auch ausdrücklich so beschrieben. Dort heißt es: „Zu einer intakten Schulgemeinschaft gehören nicht nur Lehrer und Schüler, sondern aktive, in­teressierte und engagierte Eltern.“ Dazu VBE-Chef Gerhard Brand: „Schon im Interes­se des Kindes sollten Lehrer und Eltern dauerhaft verlässliche Partner sein.“

Lehrer sind keine Entertainer, die nur für „Bespaßung“ sorgen, aber auch keine „Su­per-Nannys“, die den Kindern mit Strenge und Strafen all die Unarten austreiben, um deren Abgewöhnung sich Eltern bisher vergebens bemüht haben. Kinder sollten voller Neugier und frei von Angst in die Schule kommen – und das möglichst nicht nur an­fangs. Moderner, offener Unterricht lässt Schülern den Freiraum, sich Inhalte selbstän­dig oder mit Klassenkameraden zu erarbeiten, lässt sie experimentieren und sich mit Mitschülern gedanklich austauschen. „Eltern und Pädagogen sollten den Kindern et­was zutrauen und sie dann auch machen lassen“, sagt Brand, „ganz egal ob man die Lehrer weiterhin ganz altmodisch Lehrer nennt, Lernbegleiter – an Gemeinschafts­schulen – oder `Potentialentwicklungscoaches´, wie sich moderne Gurus heute auszu­drücken pflegen.“ Dass die Politik und das Kultusministerium jetzt endlich für bessere Rahmenbedingungen sorgen müssen und nicht ständig verbale Klimmzüge machen sollten, um die Situation an den Schulen so darzustellen, wie sie von Praktikern und Eltern nicht wahrgenommen werde, sei eigentlich selbstverständlich, so der VBE-Chef.