VBE ist skeptisch: Beruhigungspille für die Lehrerschaft oder Hoffnung auf einen Placebo-Effekt?

Zumeldung zur SPD-Aussage: 400 Stellen weniger streichen

Wenn SPD-Chef Schmiedel im nächsten Schuljahr 400 Stellen weniger streichen will als zunächst vorgesehen, aber die bis 2020 insgesamt 11.600 wegfallenden Leh­rerstellen weiterhin im Raum stehen, sehe das mehr nach einem „Liebkindmachen bei den Heulsusen“ aus als nach einem großen bildungspolitischen Wurf, urteilt der Sprecher des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) knallhart und wartet schon auf das sicher auf dem Fuß folgende Dementi aus dem Lager der Grünen.

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig
Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

Die Bildungspolitik der grünen-roten Landesregierung zeichnete sich bisher immer wie­der durch Ankündigungen und nachgeschobene Dementi aus, durch rasche Entschei­dungen und dem darauf folgenden geordneten Rückzug. „Verlässlichkeit sieht anders aus“, kritisiert der VBE-Sprecher. 11.600 Lehrerstellen sollen bis zum Jahr 2020 gestri­chen werden, obwohl die Landesregierung weiß, dass zwar die Schülerzahlen zurückge­hen, die Aufgaben – nicht zuletzt durch die Visionen von Grün-Rot – aber gewaltig zu­genommen haben. Mehr Ganztagesschulen, mehr individuelle Förderung, mehr Ge­meinschaftsschulen und die gesamtgesellschaftliche Aufgabe Inklusion erfordern mehr Lehrerstellen und nicht weniger.

Wenn jetzt SPD-Fraktionschef Schmiedel auf einem Lehrerkongress ankündigt, im nächsten Schuljahr 400 Stellen weniger zu streichen, muss vor dem Hintergrund der Streichung von insgesamt 11.600 Lehrerstellen die Frage erlaubt sein, ob hier der Leh­rerschaft eine Beruhigungspille verabreicht wird oder ob es sich um das Prinzip Hoff­nung handelt, der Placebo-Effekt werde schon dafür sorgen, dass dann alle ruhiggestellt und zufrieden sind. Wer einen Bildungsaufbruch wagen will, benötigt deutlich mehr und nicht weniger Lehrerstellen, stellt der VBE-Sprecher klar. Und 11.600 Lehrerstellen weniger ist keine kleine kosmetische Korrektur, sondern ein spürbarer Radikalrück­schnitt. „Dass Grün-Rot jetzt auf den Bund hofft, um alle bildungspolitischen Pläne auch verwirklichen können, mag man ja verstehen. Es ist aber unerträglich, wenn jeder Missstand nach drei Jahren Regierungsverantwortung im Land immer noch mit den (Un-)Taten der Vorgängerregierung weg-erklärt wird“, so der VBE-Sprecher.

VBE: Journalistin gibt Kultusministerin Nachhilfe

Stuttgart. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg registriert mit einer gewissen Verwunderung, dass jetzt eine Journalistin das Geschäft der sich nicht aus der Deckung wagenden Kultusministerin übernimmt und angesichts im Raum stehender planloser Stellenstreichungen verlässliche Angaben statt vager Zahlenspielereien fordert. Wirklich benötigte Lehrerstellen sollten gegenüber dem Rechnungshof und den Regierungsverantwortlichen gut begründet werden.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Eigentlich wäre es Aufgabe des Kultusministeriums, so VBE-Chef Gerhard Brand, harte Fakten auf den Tisch zu legen und dem Rechnungshof und Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann mit Zahlen zu beweisen, warum man nicht einfach 14 000 Leh­rerstellen abbauen kann, wenn man eine erfolgreiche neue Bildungspolitik machen will. „Mit Pi-mal-Daumen-Rechnungen ist keine nachhaltige (Bildungs-)Politik zu machen“, schreibt Maria Wetzel völlig zu Recht in einem Leitartikel der „Stuttgarter Nachrichten“. Weiter heißt es dort: „Mit ihren fahrlässigen Zahlenspielen setzt die Kultusministerin ihre Glaubwürdigkeit bei denen aufs Spiel, die sie bei ihren Refor­men am nötigsten braucht: Schüler, Eltern und Lehrer.“

Anstatt in den schon reflexhaften Aufschrei von Lehrergewerkschaften, Verbänden und Eltern „Sparen – aber nicht mit uns!“ mit einzustimmen, täte die Kultusministerin gut daran, jetzt den Verantwortlichen in der Politik mit ungeschönten Zahlen präzise offenzulegen, welche Schulen exakt wie viele Lehrerstunden für welche Vorhaben be­nötigten. Solange die Ministerin im Landtag offen zugibt, dass ihr Haus nicht wisse, wo die Landesmittel im Bildungsbereich versickerten, kann sie nicht damit rechnen, dass ihr der Finanzminister für die ehrgeizigen Ziele, mehr Ganztagsschulen zu in­stallieren sowie weniger Unterricht ausfallen zu lassen, das entsprechende Geld res­pektive die notwendigen Lehrerstellen bewilligt. Solange eine Zeitungsredakteurin das Geschäft der Kultusministerin erledigen muss, wird es schwer sein, den Landtag zu mehr Ausgaben für eine qualitativ hochwertigere Bildungspolitik zu bewegen. Da reizt es selbst grün-rote Politiker, die Haltung von Oppositionsparteien einzunehmen und Begehrlichkeiten mit Verweigerung zu bestrafen. Wenn die Kultusministerin in den eigenen Reihen stärkeren Rückhalt für ihre hehren Ziele haben möchte, muss sie aus der Deckung der freundlichen Unverbindlichkeit herauskommen und überzeugende Konzepte und Zahlen offensiv vertreten. „An den Schulen werden bei zunehmenden Aufgaben Lehrerstellen dringend benötigt“, so VBE-Chef Brand, man müsse den Be­darf aber auch für alle nachvollziehbar verständlich erklären und exakt belegen.