VBE skeptisch: Die Übergangsquoten auf Realschulen und Gymnasien steigen – aber auch die Abschlüsse?

Vor allem seit dem Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung dür­fen sich Realschulen und Gymnasien über eine erhöhte Nachfrage freuen. Eltern „versuchen“ trotz einer anders lautenden Empfehlung, ihrem Kind den höherwer­tigen Abschluss zu ermöglichen. Das Kultusministerium tut ein Übriges, indem es die steigenden Übergangszahlen – insbesondere von Kindern mit Migrationshin­tergrund – als Erfolg verkauft, so, als hätten die Schüler schon allein mit dem Übertritt auf das Gymnasium das Abitur bereits in der Tasche.

VBE Pressesprecher Michael Gomolzig
Michael Gomolzig, Sprecher des VBE

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg sieht mit Sorge, dass die Übergangsquoten auf die weiterführenden Schulen Jahr für Jahr statistisch penibel erfasst werden, nicht jedoch zu den an der gewählten Schulart realiter erreichten Ab­schlüssen in Korrelation gesetzt werden. Ein hoher Übergang auf das Gymnasium be­deutet eben nicht gleichzeitig das Ansteigen der Schüler mit erfolgreichem Abitur.

Mit einer Übergangsquote von 65 Prozent auf das Gymnasium liegt die Stadt Heidel­berg im oberen Bereich. Wenn in großen Städten wie Stuttgart oder Mannheim nicht einmal zehn Prozent der Kinder in einer Haupt- oder Werkrealschule angemeldet wer­den, spricht das jedoch nicht unbedingt für eine signifikante Steigerung des Leistungs­vermögens und Leistungswillens der anderen Schüler.

Von den Realschulen und Gymnasien hört man sehr deutlich, dass viele Schüler stark unterstützt werden müssen, um den Anforderungen überhaupt entsprechen zu können. „Die Schüler sind überfordert und besuchen die falsche Schulart“, heißt es dann schnell. Zu Recht fordern Realschulen und Gymnasien mehr Unterstützung bei dieser neu zu­sammengesetzten Schülerschaft. Heterogenere Klassen können nur mit mehr Zeit, inten­siverer Betreuung und damit auch mit kleineren Klassen auf Dauer erfolgreich sein.

In den Stufen 7 und 8 müssen einige Haupt-/Werkrealschulen sowie Realschulen zu­sätzlich neue Klassen bilden. Sogenannte „abgeschulte“ Schüler, die meist zum wieder­holten Male sitzengeblieben und somit an der gewählten Schulart „gescheitert“ sind, füllen plötzlich die Klassen in der Schulart, in die man das Kind nach der vierten Klasse eigentlich nicht stecken wollte. Statistiken darüber werden nicht geführt. „Sollte es dann gar keine Hauptschule mehr in der Region geben, weil sie sukzessive alle geschlossen worden sind, wird die neue Gemeinschaftsschule zum Auffangbecken der Gescheiter­ten“, mahnt der VBE-Sprecher und fordert, jetzt Zahlen auf den Tisch zu legen.

VBE wartet nach wie vor auf die Auswertung der Übergangszahlen auf Gemeinschaftsschulen

Stuttgart. Mitte Oktober wurden im Rahmen der Herbststatistik an den Grundschu­len die Übergangszahlen der Viertklässler auf die weiterführenden Schulen erhoben. Dabei wurde abgefragt, wie viele Kinder mit welcher Grundschul­empfehlung auf Gemeinschaftsschulen wechselten. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) hatte damals das Kultusministerium aufgefordert, aus Gründen der Transparenz die Zahlen des Übergangsverhaltens offen­zulegen. Auch ein Vierteljahr nach dieser Erhebung werden die Zahlen weiter unter Verschluss gehalten, kritisiert der VBE.

Es verging bisher kaum ein Monat, ohne dass das Kultusministerium oder die Stabsstelle darauf hingewiesen haben, zu welchem Erfolgsmodell sich die neue Gemeinschaftsschule im Land entwickle. Selbst CDU-Bürgermeister und nicht grün-rote Gemeinderäte würden mit Feuereifer Anträge auf die Einrichtung der von Grün-Rot favorisierten Schulart stellen, jubelte das Ministerium. Kritikern, die als Grund für manche Antragstellung die Möglichkeit zur Standortsicherung bei zurückgehenden Schülerzahlen sahen, entgegnete man, dass die neue Schul­art eine Schule für alle sei, ohne den Beweis anzutreten, ob dem wirklich so ist. Da bei der Anmeldung keine Grundschulempfehlungen mehr vorgelegt werden müssen, wisse man folglich auch nicht, welche Schüler Gemeinschaftsschulen besuchten, argumentierte die Kultusbehörde.

Nach der amtlichen Herbststatistik kann das Kultusministerium nun anhand des von den Schulleitern ausgefüllten Statistikbogens 6 genau erkennen, welche Schüler mit welcher Grundschulempfehlung auf die Gemeinschaftsschulen ge­wechselt haben. Beim VBE hat man weiterhin den Eindruck, dass das Ministe­rium an der Veröffentlichung dieser Zahlen nicht sonderlich interessiert ist, denn dann könnte möglicherweise deutlich werden, dass die Gemeinschaftsschule vielleicht doch eher von Schülern mit einer Empfehlung für die Hauptschule als von solchen mit einer Gymnasialempfehlung besucht wird. Der VBE fordert das Kultusministerium jetzt noch einmal unmissverständlich auf, Farbe zu bekennen und die offiziellen Übergangszahlen endlich offenzulegen.

VBE: Ist die Gemeinschaftsschule wirklich eine Schule für alle?

Ministerium soll nach der Herbststatistik Übergangszahlen offenlegen

Stuttgart. Bisher hat das Kultusministerium jede Nachfrage, mit welcher Grundschulemp­fehlung Schüler Gemeinschaftsschulen besuchen, mit dem Hinweis zurückgewie­sen, dass bei der Anmeldung das Dokument nicht mehr vorgelegt werden müsse und daher keine Zahlen existierten. Nach der Erhebung der Herbststatistik an den Schulen sticht dieses Argument nicht mehr. Der Verband Bildung und Er­ziehung (VBE) Baden-Württemberg fordert jetzt die Offenlegung der Zahlen.

Es verging bisher kein Monat, ohne dass das Kultusministerium oder die Stabsstelle darauf hingewiesen haben, zu welchem Erfolgsmodell sich die neue Gemeinschafts­schule im Land entwickle. Selbst CDU-Bürgermeister und nicht grün-rote Gemeinde­räte würden mit Feuereifer Anträge auf die Einrichtung der von grün-rot favorisierten Schulart stellen, jubelte das Ministerium. Kritikern, die in dieser Antragstellung nur die Möglichkeit einer Standortsicherung bei zurückgehenden Schülerzahlen sahen, indem sterbende Haupt-/Werkrealschulen als Gemeinschaftsschulen wiedergeboren würden, entgegnete man, dass die neue Schulart eine Schule für alle sei, ohne den Beweis anzu­treten, ob dem wirklich so ist. Da bei der Anmeldung keine Grundschulempfehlungen mehr vorgelegt werden müssen, wisse man folglich auch nicht, welche Schüler Ge­meinschaftsschulen besuchten.

Solange Gymnasial- und Realschullehrer sowie Schüler mit einer Gymnasial- oder Realschulempfehlung an Gemeinschaftsschulen eindeutig in der Minderheit seien, sehe das Ganze noch allzu sehr nach einem Etikettenschwindel aus, argumentierte der VBE.

Nach Vorliegen der aktuellen amtlichen Herbststatistik kann das Kultusministerium anhand des von den Schulleitern ausgefüllten Statistikbogens 6 genau erkennen, wel­che Schüler mit welcher Grundschulempfehlung auf die Gemeinschaftsschulen ge­wechselt haben. Beim VBE hat man jedoch den Eindruck, dass das Ministerium an dieser Wahrheit nicht sonderlich interessiert ist, denn dann könnte möglicherweise deutlich werden, dass die Gemeinschaftsschule vielleicht doch nur eine umetikettierte Hauptschule ist mit ein paar Schülern, die auch auf Realschule oder Gymnasien gehen könnten; von der inklusiven Beschulung von Schülern mit besonderem sonderpädago­gischen Förderbedarf noch gar nicht gesprochen. Der VBE fordert das Kultusministe­rium auf, jetzt Farbe zu bekennen und die Übergangszahlen offenzulegen.

11.11.12

VBE: Bessere Schulen gibt es nicht für weniger Geld

Zumeldung zur Landespressekonferenz der CDU-Landtagsfraktion am 26.07.2012:

Stuttgart. „In Anlehnung an Henry Ford, der Autos in jeder Farbe ausliefern wollte, solan­ge sie nur schwarz waren, sieht die grün-rote Landesregierung alle Schularten als zukunftsfähig an, wenn sie nur Gemeinschaftsschule heißen“, kritisiert der Vor­sitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg, Gerhard Brand, die etwas zu einseitige Vorgehensweise im Bildungsbereich.

VBE Landesvorsitzender Gerhard Brand

Gerhard Brand, VBE Landesvorsitzender

Durch den Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung habe der Eltern­wunsch bei der Schullaufbahnentscheidung für das Kind nach der vierten Klasse ein hohes Gewicht bekommen. Wozu elterliche Fehlentscheidungen später führen können, wurde jedoch geflissentlich ausgeblendet. Durch den jetzt noch stärkeren Rückgang der Übergangszahlen auf die Haupt-/Werkrealschule, blutet diese Schulart, die schon unter Schwarz-Gelb deutlich hatte Federn lassen müssen, vollends aus.

„Wenn Schüler an der für sie falschen Schulart scheitern, wird bald keine Schule mehr in zumutbarer Entfernung für sie da sein, die sie auffängt und zu einem Ab­schluss bringt. Zu den Schülern der Gemeinschaftsschule, die nach aktueller Datenlage hauptsächlich von Kindern mit einer Haupt-/Werkrealschulempfehlung besucht wird, kommen dann die Jugendlichen mit gescheiterten Laufbahnträumen hinzu“, sagt der VBE-Chef. Um diese Auffangfunktion ausüben zu können, gibt es aber (noch) viel zu wenige Gemeinschaftsschulen, die auch entsprechend wohnortnah erreichbar sind.

Der VBE bekräftigt die Aussage der CDU, dass eine notwendige regionale Schulent­wicklung nur dann gelingen kann, wenn sie auf dem Konsens aller Beteiligten vor Ort basiert. Die Entscheidung für eine Gemeinschaftsschule zum Erhalt der wohnortnahen Schule – eine durchaus legitime Sichtweise von Kommunen und Städten – trägt den Überlebenskampf in die Fläche, weil jeder Bürgermeister „Standortsicherung“ betrei­ben will. Da werden die Interessen der Nachbargemeinden sekundär. „Daher muss für die regionale Schulentwicklung die Schulverwaltung mit ins Boot genommen werden, die alle auf Kreisebene wichtigen Fakten kennt und eine Moderatorenrolle bei diesem manchmal schmerzlichen Prozess übernehmen kann“, sagt der VBE-Chef. Bessere Schulen werde es auf keinen Fall für weniger Geld geben. Politiker sollten sich von der Vorstellung verabschieden, dass man bei einem viel zu kurzen Rock nur etwas am Saum zuppeln muss, damit er dann die Blöße der Beine besser bedeckt.

27. Juli 2012